1. Der Dieb im Hotel
Wir sind immer noch im gleichen Urlaub und wir sind immer noch im gleichen Hotel. Aber wir haben zum Glück immer noch keinen Sonnenbrand. Auch wenn sich der coole Nico am liebsten gleich früh vor dem Frühstück in die heiße Sonne legen und bis Mitternacht nicht mehr zurückkommen würde.
“Mann, ihr seid ja echt voll die Schlafsäcke hier!”, jammert Sunny-Nico jeden Morgen, wenn sich unser gestreifter Schlafanzug-Daddy kurz vor acht Uhr auf den Balkon an unserem Hotelzimmer schleppt und den neuen Tag anhustet. “Die anderen werfen sich schon lecker Hörnchen ein und ihr seht noch aus wie die Nachtigallen! Ich muss los, ich muss braun werden, ich will nicht so ein Weißbrot sein wie ihr!” Dann bleibt der große Nico aber doch auf dem Balkon sitzen und wartet, bis wir alle fertig sind! Weil mein angstloser Bruder nämlich doch Angst vor der niedlichen spanischen Kellnerin im Speiseraum hat, die ihm jedes Mal zuzwinkert! “Die will mich heiraten, bestimmt!”, hat er mir vor ein paar Tagen geflüstert.
Der Ärmste, der kapiert echt nichts! Die Kellnerin ist mindestens dreißig und strahlt den Kleinen an, weil sie eigentlich den Großen, also Daddy, anstrahlen will. Aber nicht kann, Mama ist ja dabei! Also Umweg über den kleinen Nico. Bei Papas kommt das ja immer super an, wenn Fremde das Baby super finden. Bei uns eben Baby Nico!
Und außerdem hat mein Bruder bis heute noch nicht gecheckt, dass der braungebrannte Fabian aus seiner Klasse, den er überbraunen will, Selbstbräuner aus dem Drogeriemarkt holt! Hab ich selbst gesehen, und da hatte sogar der Blasse Fabian mal ein echt farbiges Gesicht – der wurde nämlich knallrot …
“Schläfst du oder träumst du oder was?”, zischte mein Bruder. “Nici, wach auf, wir sind hier im Einsatz!” Klar, waren wir, und ich hatte keine Ausrede. Ich konnte dem Kleinen ja schlecht erzählen, dass ich euch gerade etwas erzählt habe! Und was ich erzählt habe, sowieso nicht! Also knurrte ich nur: “Krieg dich wieder ein, ich beobachte ja schon! Aber da drin tut sich nix!”
Wir standen nämlich die ganze Zeit versteckt hinter einem Pinienpalmenstrauch oder so und starrten durch die Terrassentür in ein fremdes Zimmer. Das konnten wir, weil das Zimmer ganz unten und weil es außerdem schon ganz schlimm spät war. Die letzten Typen, die sich eine Sangria oder ein Wasser an der Strandbar gegeben hatten, waren inzwischen schon auf ihre Zimmer gestolpert. Und unsere Eltern saßen mit ihren neuen Bekannten drüben am Pool.
“Wie war das nochmal mit den Betten? Ich hab’s schon wieder vergessen!” Mein Bruder! Mit dem hat man’s echt nicht leicht! Ich zeigte zu dem Zimmer. “Links an der Wand stehen zwei Betten hintereinander und rechts an der Wand stehen auch nochmal zwei hintereinander, okay?” Das bekam er noch auf die Reihe, war ja auch echt easy. “Das Bett vorn links gehört Gino, das dahinter Timo! Kommst du noch mit oder willst du dich erst einmal ausruhen?” Nico murmelte etwas und das hieß schon wieder nicht: “Ich hab dich lieb!”
“In dem Bett rechts hinten liegt normalerweise Ronny, auch wenn da jetzt gerade keiner liegt, und vorn rechts schläft Max!” Nico legte seinen Nico-Zeigefinger an die Lippen und zeigte mit dem Daumen zum Weg. Da schlenderte nämlich gerade eine Mama-Papa-Komischkind-Familie heran und ich hatte das nicht gemerkt. Peinlich!
Als wir wieder hochkamen, sahen wir auf dem Weg nur die Rücken von Mama und dem komischen Kind. Und als wir uns umdrehten, den riesengroßen Kopf von dem Papa, der plötzlich aus dem Strauch kam!
“Naaa, was macht ihr denn hier?”, erkundigte sich der Mann drohend und wir waren alle beide so erschrocken, dass wir gar nichts sagen konnten. Bevor der Kerl aber einen üblen Spruch wie “Kleine Kinder gehören um diese Zeit ins Bett!” aufsagen oder uns gleich an den Ohren zum Pool schleifen konnte, tauchte unsere Retterin auf: Anna! Die arbeitet im Hotel an der Rezeption, die ist supernett und superlustig und supercool und die kommt aus Schweden.
Als wir sie kennen lernten, weil wir einen Fernseher mieten wollten, hat sie erzählt, dass sie gerade ihre Mutter angerufen und nach dem Wetter zu Hause gefragt hat. Das war wohl nicht so toll, denn Anna meinte: “Voll das sch… Wetter in Schweden!” Also kein schönes! Aber das klang in Annas Schwedisch-Deutsch gar nicht schlimm, sondern richtig lustig. Und schon hatte Nico seine Kellnerin vergessen …
Anna sah den Mann an und lachte: “He, du, ist schon okay! Die beiden sind im Maxi-Club im Hotel und machen bei einem Nachtspiel mit!” Der Mann war zufrieden und lief zu seinen beiden Leuten und dann verschwanden die auch gleich.
Natürlich mussten wir Anna die Wahrheit erzählen. Vier Minuten später wusste sie alles: Von Max aus München, der mit uns im Einsatz war und jetzt in der Hotelhalle wartete. Von den drei Jungs in seinem “Kinderzimmer”, von denen ihm einer immer Geld aus seiner Tasche im Schrank klaute und es irgendwo versteckte. Und davon, dass wir das “Kinderzimmer” beobachteten, weil wir den Dieb erwischen wollten! Und auch, dass wir alles ohne die Eltern von den Jungs in den anderen Zimmern regeln wollten.
“Dann durchsuchen wir doch mal das Zimmer!”, schlug Anna vor. “Irgendwo muss das Geld ja versteckt sein!” Anna ist super, das war ja klar. Aber die Idee war noch superer!
Nico löste Max in der Hotelhalle ab und Max, Anna und ich checkten das Zimmer. Und Anna fand das Versteck sofort: Sie ging einfach durch die Zimmertür genau gegenüber von der Balkontür, sagte “Hm!” und zog im vorderen Bett auf der rechten Seite den Bettbezug weg. Da lag das Geld …
Wisst ihr, welcher Dieb die Beute in seinem eigenen Bett versteckt hatte?